Verständnis und verstehen
Über die Unterschiede in Wortprägungen und den Weg zu tieferem Verständnis
Ihr Lieben,
eigentlich möchte ich heute etwas über das Verstehen und die Wege dorthin schreiben. Doch während ich über dieses Thema dachte und meditierte, wurde es immer größer und umfassender und gewann immer zentralere Bedeutung in einem erfüllten und harmonischen Leben. Beginnen wir das Thema bei Gautama Buddha, der einmal sagte, das alles Leiden durch Gier, Neid oder Unverständnis entsteht. Im Umkehrschluss kann viel Leid durch Verständnis (oder verstehen?) einfach vermieden werden. Ich wiederhole es noch einmal, denn es ist von zentraler Bedeutung:
Alles Leiden entsteht durch Gier, Neid oder Unverständnis
Dies allein zu erfassen ist schon nicht so ganz einfach, ich möchte ein Beispiel anführen. Wie kann Unverständnis Leiden auslösen? Gautama Buddha gibt dafür ein folgendes Beispiel. Eine Frau hatte einen Sohn, dieser ging fort und kehrte lange Zeit nicht zurück. Die Frau litt sehr darunter, sie konnte nicht verstehen, dass ihr Sohn einfach alles zurückließ. Irgendwann wurde ihr Schmerz so groß, dass sie sich einredete, ihr Sohn wäre tot. Als dieser dann viele Jahre später zurückkehrte, seine Mutter besuchen wollte, glaubte sie ihm nicht und schickte ihn fort. Und sie litt bis an ihr Lebensende unter dem Verlust ihres Sohnes.
Dieses Beispiel läßt sich beliebig in alle Bereiche übertragen und ich selbst erkannte viele Dinge, wo ich leide unter Gedanken, Annahmen die aus Unverständnis entstehen. Und so begann ich darüber nachzudenken und zu meditieren. Es ist letztlich eine Form des Urteilens über das was wir sehen, hören, fühlen und daraus Gedanken, Grundsätze entstehen, die uns wiederum steuern.
Noch ein Beispiel? Ein ganz kleines, fast unbedeutend. Wenn ich mit einer Frau zusammen bin, achte ich sehr auf ihre Körpersprache. Ich glaube, daraus erkennen zu können, wie sie zu mir steht und ob sie mich gerade annimmt oder nicht. Vieleicht ahnst du was geschah. Mein Gegenüber verschränkte die Arme, in der Körpersprache ein Zeichen von Abehnung. Ich fühlte mich abgelehnt, zurückgewiesen und zog mich zurück. Und erntete Unverständnis, warum ich mich denn nun anderen Dingen widmen möchte. Als ich aussprach, warum, lachte mein Gegenüber mich an und sagte, "mir war einfach kalt". Hätte ich dies verstanden, dann hätte ich mir die Stunde des Leidens ersparen können.
Ein paar Tage später sass ich in einem geschäftlichen Termin und wir sprachen kurz über zeitliche Abfolgen, das bestimmte Dinge noch ein wenig Zeit benötigen und bekam den Satz "Da habe ich natürlich Verständnis für" Donnnnnnggg .... klingelte es in mir und ich verstand, das es hier einen Unterschied gibt. Es gibt etwas, das nennen viele Menschen Verständnis und meinen damit, das sie etwas tolerieren.
Verstehen, so denke ich, ist etwas anderes. Verstehen ist oder bzw. sollte sein, etwas in allen Aspekten zu sehen (und ja, ich weiß, wie schwierig das ist!!) Dazu gehört das Verstehen, das ein menschliches Gegenüber ganz andere Erfahrungen, Wertigkeiten hat und damit für diesen Menschen ganz andere Dinge wichtig sind als für mich. Dazu gehört auch zu wissen, dass es Dinge gibt, die existieren für mein Gegenüber nicht oder sind ohne Belang. Auch hier gebe ich gern schmunzelnd ein Beispiel. Als Mann liebe ich die weiblichen Formen, Rundungen und natürlich auch die Brüste. Sie sind für mich irgendwie etwas heiliges, etwas wunderschönes, behütens- und streichelnswertes und ich berühre sie sehr gern. Als ich dies einmal einer Freundin sagte, zuckte diese mit den Schultern und meinte, "Fett- und Drüsengewebe halt" und wechselte das Thema. -
Es ist ein bischen wie im Artikel über die Achtsamkeit, wenn man über die 9 Stadien des Zerfalls eines toten Körpers meditiert oder auch nur darüber, welche Dinge unter der Haut alle verborgen sind, verliert vieles seine vordergründige Schönheit. Und wenn etwas selbstverständlich ist, verliert es ebenso seinen Glanz, aus welcher Richtung auch immer es angestrahlt wird. Hätten wir Männer selbst Brüste, die Mode wäre sicherlich anders und eine ganzer Wirtschaftszweig hinfällig. Aber wir haben keine und die meisten Männer (ich eingeschlossen) können sie kaum vorstellen, wie das ist.
Zurück zum Verstehen. Verstehen ging bei mir früher nur über das Gedächtnis. Was ich mir vorstellen konnte, dafür konnte ich Verstehen entwickeln. Was mir fremd war, konnte ich mir nicht vorstellen und konnte kein Verstehen entwickeln. Irgendwann erkannt ich dies, und bat darum, das ich einmal fühlen möge, wie es ist, als Frau geliebt zu werden. Ich hatte in der folgenden Nacht einen sehr luziden Traum, der viel für mein Verständnis der Weiblichkeit tat. Ich freute mich über diese Erfahrung und es begann in mir zu arbeiten, wie ich tieferes Verstehen für die Dinge entwickeln kann.
Nun im Laufe der Zeit und der Entwicklung kam ein weiterer Sinn hinzu, ein Fühlen des Gegenübers. Wenn ich mich über etwas ärgere (und ja, dies passiert auch mir durchaus!), dann versuche ich immer mal, ob ich mein Gegenüber nicht aus dessen Sicht fühlen und sehen kann. Ich bitte dann im Geiste darum, dass mir die Motive für dieses Handeln gezeigt werden und dessen Bedeutsamkeit aus meinem Focus und aus dem Focus meines Gegenüber. Ihr Lieben, wann immer mir dies gelingt (es ist noch recht selten), staune ich Bauklötze.
Ich strebe an dies weiter zu entwickeln, hilft es mir doch, Leiden zu vermeiden und ist damit mehr als gut. Und so möchte ich heute Abend mehr als einmal darum bitten, achte auf die Prägungen der Worte, die du verwendest. Richte mal Deine Aufmerksamkeit darauf, wie schnell eine falsche Annahme, ein falscher Schluß Leiden verursacht und geh damit in den Focus, dies anzusehen und zu ändern. Übe Dich darin, Dein Gegenüber zu verstehen, auch wenn es nur ein Tier sein mag. Es lohnt sich!